Ganz spontan entschied ich mich zu einen kurzen Tauchausflug nach Gozo. Denn bei nur 2 1/2 Flugstunden lässt sich durchaus ein verlängertes Wochenende einlegen und ich konnte für ein paar Tage bei Temperaturen zwischen 25 - 28 Grad im Oktober dem heimischen Schmuddelwetter entfliehen.
Gozo ist eine waschechte Taucherinsel, auf der sich schon früh der Tauchsport etablierte und gerade in den letzten Jahren erlebte die Schwesterinsel Maltas bei Tauchern einen kleinen Hype. Derzeit werden die Inseln noch mal richtig schön herausgeputzt, denn für 2018 ist die Landeshauptstadt Valletta als europäische Kulturhauptstadt ein wichtiges Zentrum für Kunst, Kultur und Musik.
Gewohnt habe ich im Calypso Hotel in Marsalforn im Norden Gozos. Es ist das einzige größere Hotel im Ort und wird seinen 4 Sternen mehr als gerecht: Die Zimmer und Einrichtungen sind alle gepflegt und das Personal freundlich und kompetent. Dazu kostenfreies, schnelles WLAN sowie die schöne Dachterrasse mit Pool und Bar, die ist ideal für einen leckeren Cocktail zum Sonnenuntergang. Inga von der Rezeption spricht fließend Deutsch und steht bei allen Fragen hilfreich zur Seite.
Am besten ist eigentlich die Lage: Das Hotel befindet sich an einer schönen Stelle der Bucht, wo man einen herrlichen Blick über das Meer, den Ort und die umgebende Hügellandschaft genießt.
Zum Tauchshop der Calypso Divers sind es nur ein paar Schritte über die Straße. Der Equipmentraum ist auch Treffpunkt für die Ausfahrten und ist über einem eigenen Eingang direkt mit dem Hotel verbunden.
Entlang der Bucht reihen sich viele verschiedene Restaurants, die zu moderaten Preise leckerste Pizze & Pasta servieren – denn schließlich sind wir kurz vor Sizilien – sowie traditionelle maltesische Küche und Meeresgerichte, von seltener Qualität – daher unbedingt probieren!
Die Tauchbasis der Calypso Divers ist auf der ganzen Insel bekannt und gehört seit ihrer Gründung 1985 durch den Einheimischen George Vella zu den Tauchpionieren auf Gozo. George ist ein aufgeweckter Typ, ganz aus gozotischem Stein geschnitzt. Er führt mit vielen Handbewegungen durch seine Tauchbasis und präsentiert mir zum Schluss stolz die beiden Neuanschaffung der Tauchbasis – das neue Tauchboot sowie die Bohnenkaffeemaschine – ohne letzteres geht gar nix 🙂
Das ganze Jahr über sind die beiden Deutschen Tanja und Thomas im Tauchshop oder selbst auch als Guide unterwegs. Sie haben zusammen mit UW-Fotograf Pete Bullen einen nützlichen Tauchreiseführer mit Kartenmaterial und ausführlichen Beschreibungen verfasst und geben damit eine wichtige Orientierung – Hier gehts zum Buch: Tauchreiseführer Gozo
Wie üblich auf Gozo orientiert sich die Auswahl der angesteuerten Tauchplätze nach den Wünschen der Gäste und den Wetterbedingungen. Auch sonst ist bei den Calypso Divers alles bestens organisiert und auf Sicherheit bedacht. Vor jedem Tauchgang gibt es ein ausführliches Briefing und die Gruppen sind stets klein: Bei mir wurde in 3 Gruppen von je 4 Tauchern und einem Guide aufgeteilt. So hat sich die Buddysuche auch ganz leicht gelöst.
Besonderheit beim Gozo Tauchen: Die Insel ist wie geschaffen für Taucher, die das selbstständige Tauchen ohne Guide und Terminplan suchen. Ausgestattet mit einem Mietwagen und dem Flaschenservice der Tauchbasis, können erfahrene Taucher (mind. AOWD Brevet) gemeinsam mit dem Buddy auf eigene Faust die Unterwasserwelt erforschen.
Insgesamt stehen bis zu 25 Tauchplätze rund um die Insel zur Auswahl. Da an diesen Tagen ein starker Nord-West-Wind wehte, ging es zum Tauchen in den geschützten Süden der Insel. Die Tauchplätze in dieser Region zeichnen sich durch ihre ausgedehnten Seegraswiesen aus, die sich mit ihren langen Büscheln sanft in der Strömung wiegen. Mit etwas Glück findet man darin Seenadeln, Seepferdchen oder große Kraken. Auf der ganzen Insel allgegenwärtig sind die blau-schwarzen Mönchsfische, die in Größe und Anzahl ein wenig an die Fahnenbarsch-Schwärme des Indischen Ozeans erinnern. Tatsächlich begegne ich vielen Papageienfischen, die über den Suezkanal vom Roten Meer ins Mittelmeer gelangt sind. Dazu mischen sich noch verschiedene Brassenarten, Meerjunker und Goldstriemen, häufig warten Skorpionsfische geduldig auf den Felsen auf Beute. Vereinzelt ziehen auch größere Fische wie Makrelen und Barrakudas durch die Gewässer. Höhepunkte im Süden sind drei relativ nah beieinander liegende Wracks, die man speziell für Taucher versenkt hat und die heute vielen Lebewesen einen Unterschlupf bieten. Ich gleite über gigantische Gesteinsformationen, die steil ins blaue Nichts fallen, linienförmig ausgewaschene dicke Felsbrocken… und plötzlich grinst mich eine braune Muräne hautnah aus ihrem Versteck an, sodass wir beide zurückschrecken und aus dem Staub machen.
Übrigens sehe ich auf meinen Tauchgängen häufig Apnoetaucher und schwer beladene Tech-Taucher, die sich zu den tiefergelegenen Wracks machen.
Der Ort Xlendi (gesprochen Schlendi) darf auf meinen Programm natürlich nicht fehlen. Es ist eine beschauliche, kleine Badebucht im Südwesten der Insel, die malerisch von schroffen Felsen eingerahmt wird. Die Atmosphäre ist an diesen sonnenreichen, warmen Tagen richtig entspannt. Entlang der Bucht haben sich viele zum Sonnen auf den Felsen gelegt oder springen von der Klippe ins Meer. Es ist ein touristischer Ort, in dessen Zentrum sich die beiden Hotels San Andrea und das St. Patricks Hotel befinden. Drumrum reihen sich verschiedene Restaurants mit unterschiedlicher Küche. Beide Hotels machen einen tiptop gepflegten Eindruck. Das St. Patricks ist etwas komfortabler und umfangreicher ausgestattet, während das San Andrea etwas kleiner ist aber ebenfalls über einen guten Standard verfügt. Die Wahl richtet sich da ganz nach dem persönlichen Geschmack.
Direkt gegenüber ist die Tauchbasis der St. Andrews Divers Cove, wo bei meiner Ankunft ein reges Treiben herrscht. Sie gehört mit ihren 28 Jahren ebenso zu den ersten Tauchbasen der Insel. Der Besitzer Joe Vella Gaffiero steht am liebsten in der Eingangstür seines Tauchshops und plaudert hier und da mit seinen Gästen und bei fast jedem vorbeifahrenden Auto winkt er zum Gruß. Ich war überrascht, als er mir erzählt, dass er lange Zeit Direktor des Natural History Museum in Valletta war. Er ist Ornithologe und hat bereits zu diesem Thema drei Bücher verfasst, wovon er mir stolz eines zeigt: Ein dicker Bildband mit vielen Aufnahmen und Informationen von einem einzigen Baum auf Gozo, den er über lange Zeit beobachte und die darin lebenden Vogelarten unter die Lupe nahm – einfach großartig!
Getaucht habe ich mit dem österreicherischen Guide Werner, der bereits seit 22 Jahren bei der Tauchbasis dabei ist. Meine Freude war übergroß als er mir erklärt welchen Tauchplatz wir heute ansteuern: Das Blue Hole! Wir stiegen mit Sack und Pack in den Pick-Up. Auf der 15 Minuten-Fahrt sieht man viel von der schönen Landschaft und Werner erzählt mir von der Zeit als auf Gozo nur Esel auf unbefestigten Sandpisten unterwegs waren.
Das Abenteuer beginnt schon beim Fußweg zum Blue Hole: Mit den ganzen Tauchgerödel auf den Rücken manövriere ich mich durch Geröll und folge einen schmalen Pfad von Fels zu Fels, am dessen Ende ich mit kleinen Schritten über ein rutschiges Plateau zum Einstieg tippele. Dann lasse ich mich sanft in das Becken des Blue Holes gleiten und das blaue Wunder beginnt.
Es wäre zu umfangreich, auf alles einzugehen, aber was folgt, ist ein atemberaubendes Schauspiel aus glasklarem Wasser, gigantischen Felsformationen, Tunnel, Höhlen, Grotten, die in mir den Spieltrieb wecken und in diesem leuchtenden Blau eine unbeschreibliche Stimmung erzeugen.
Im März diesen Jahres ist das einstige Wahrzeichen Gozos, das „Azur Window“ in einem Sturm eingestürzt – nur wenige Meter vom Blue Hole entfernt. Heute bildet der eingestürzte Felsen ein Gewirr aus Gängen und nennt sich aufgrund seiner weißen Bruchstücke nun „Azur Alps“. So hat der besonders für die Souvenirshops tragische Vorfall wenigstens für Taucher ein Happy End.
Es bleibt noch so vieles unerwähnt und ich könnte eine ganzes Buch füllen… Die kleine Insel hat mir richtig Spaß gemacht und hat großes Potential für einen rundum gelungen Tauchurlaub.
Durch die vorbildliche touristische Infrastruktur konnte ich komfortabel und günstig die Insel entdecken. Es gibt in allen Orten Supermärkte oder mindestens einen Kiosk, Restaurants und Bars. Gozo ist für Gruppen oder Familien interessant und für all diejenigen, die sich eine kurze Verschnaufpause ohne lange Anreise gönnen möchten.
Das Tauchen ist mit Wracks, abenteuerlichen Felsen- und weiten Seegraslandschaften äußerst abwechslungreich und verzaubert mit dem einzigarten Charme des Mittelmeers, das man nicht auslassen sollte. Es ist ein Paradies für ambitionierte Taucher wie TEC-Taucher und bildet einen guten Ausgangspunkt für eine fundierte Tauchausbildung.